In den Kaufbriefen meines Urgrossvaters ist im Neuwegwald als Nachbar ein Hess, Essigbrenner in Wald, benannt. Noch heute ist mir für dieses grosse Stück, jetzt Staatswald, die Bezeichnung «ì s Essigbrȁnners hìne» geläufig. Als ich anfing, alte Erinnerungen aufzuschreiben und nach alten Notizen der Sache nachzugehen, sind auch «s Essigbrȁnner Hesse» wieder aktuell geworden. Mein Grossvater erzählte: «Jedes Jahr sind viele Klafter Buchen und Ahornholz geschlagen worden, um in der Essigbrennerei zu Holzessig gebrannt zu werden.» Die Essigbrennerei im Spittel ist sicher noch allen Waldern meiner Generation ein Begriff. Zwar steht heute an ihrer Stelle die Autotransportfirma Otto Hess. Ich habe in einem zufällig entdeckten «Geschichtlich-geographisch-statistischen Jahrbuch – Handlexikon des Kt. Zürich» nachgelesen, dass im Jahre 1872 eine Holzessigfabrik in Betrieb war. Zu welchem Zweck wurden nun die Produkte dieser Fabrik verwendet? Herr Adolf Stricker im Oberen Hömel hat noch vor einem Vierteljahrhundert in der Drogerie Kasser Holzessig verkauft. Er konnte mir auch die verschiedenen Anwendungen angeben. Hergestellt wurde Holzessig durch trockene Destillation. In geschlossenen Behältern wurde Buchenholz erhitzt und in einem gekühlten Röhrensystem die Inhaltsstoffe separiert. So entstanden: Leuchtgas – Azeton – Methyl – Alkohol – Holzessig – Holzteer, und schliesslich noch Holzkohle. Leuchtgas wurde zum Heizen, gleich ohne zu speichern, verwendet. Der entstandene Rohholzessig (acetum pyroli gnosum crudum) wurde als Wundmittel bei Mensch und Vieh verwendet, dann zum Bestreichen von Fleisch für Kalt- oder Schnellräucherung. Gereinigte Essigsäure, 4/5 abdestilliert, ergab Essigsäure-Salze – Entkalkungsmittel (Sipuro oho!) – Eisenbelze – Läuseessig für Tiere, und wurde in der Färberei sowie zur Tintenherstellung verwendet. Rektrivisierter Holzessig schliesslich wurde medizinisch für Einspritzungen, Gurgelwasser, für Waschungen, und verdünnt 0.5 - 2g, zum Einnehmen verwendet.
Ein Herr Ernst Albert Hess, Chemiker, verkaufte die Essigbrennerei am 13.12.1897 an Robert Halbheer, Holzhändler z. Schweizerhof. Damit war wohl auch die Holzessigherstellung zu Ende gegangen. In der Folge waren diverse Untermieter in der alten Fabrik tätig: Schlosser Furrer, Velo Bruhin und Zeller u.a. 1926 ging dieser Betrieb in den Besitz von Hermann Hürlimann-Peter, Holzhändler, über. Ich erinnere mich noch gut an die grossen Brennholzstapel, die zum Trocknen aufgeschichtet waren.